16 Nov

Herbstzeitlose

Herbstzeitlose

 

Pink explosion

Zurückhaltendes Kaminrot

Geheimniskrämerisches Blassrosa

Ungezähmtes Blutrot

Abdankendes Dunkelrot

Naives Kanariengelb

Stumpfes Orangebraun

Du fragst: Bist du passiv-aggressiv?

Ich antworte: Jetzt schon.

Tiefes knalliges Wildrot

Schrumpeliges fahles Altbraun

Kannst du mich hören? Ich kann dich nicht verstehen.

Funktioniert es jetzt? Kannst du mich jetzt hören?

Ich kann dich nur sehen, aber nicht hören.

Lass es uns noch einmal versuchen.

Sabrina Nepozitek

11 Aug

Die 7 topischen Jahreszeiten der Neuen Welt

Kollektive Möglichkeitspoesie zwischen Einsilbigkeit und überdieufertretender Prosa –

Am Labor mit Utopieverdacht 2016 von 7 Nasen gemeinsam verfasst, die 7 topischen Jahren und, exklusiv und u-topisch, das schwarze Stück Kuchen, in Form assoziativer Fi Bo Na Chi:

Die Autorschaft freut sich auf Bewertungen der Gedichte nach den 11 postmondänen Wertungen «witzig» und «nicht witzig» und «cultural appropriation».

Ein Template zum Ausdrucken, um selbst Fi Bo Na Chis zu schreiben (von 1 bis 233) findet sich hier. Ein Strich stellvertritt hierin je eine Silbe.

 

NeueWelt_7topischeJahreszeiten

04 Apr

Oft vergeß ich… (Emmy Hennings)

Oft vergeß ich deinen Namen,
Und ich weiß nicht, wer du bist.
Alle Namen, die mir kamen,
Sind mir Fallen, Überlist.

Namen wollen mich umstricken,
Namen wollen Eisenketten,
Namen wollen stets verrücken.
Namenloser! Mich erretten,

Mich erretten vor den Namen,
Löse mich aus jedem Rahmen!
Laß mich nicht am Namen haften!
Alle Namen, die errafften,

Namenlos, wirf Namen fort!
Mach mich frei, lebendig Wort!
Säe samenlosen Samen.
Blüh im namenlosen Namen!

– Emmy Hennings

03 Apr

Emmy by the train station

Kuhai kuhai kuhai queue
Two to high t(w)o fail
Minus one retains no clue

.

With all these kuhai in mind
totally forgot
Emmy by the train station

.

Emmy Hennings Hugo Ball
Emmy Hennings Ball
Roman Catholic morphine

.

Em
My hen
nings Hugo
ball Emmy Hennings
ball Roman Catholic morphine

26 Mrz

Kuhai & Fi Bo Na Chi

 

Neue japanoeuropäische Traditionsgedichte des Unverständnisses

 

Die Ausgangslage

Künste und Künstlerinnen aus Japan und Europa stehen im ständigen Austausch von Faszination, Inspiration, Nachahmung und Missverständnis. Kuhai und Fi Bo Na Chi, die jüngsten Spielarten japanoeuropäischer Poesie gehen auf das Haiku zurück. Viele EuropäerInnen müssen mindestens einmal in ihrem langen Leben ein Haiku verfassen: in der Primarschule. Dieses Schulhaiku hinterlässt nicht nur intensive Gefühle von Faszination und Verwirrung, auch prägt es, meist Minuten nach dem Schreiben schon wieder vergessen, doch schicksalhaft das gesamte weitere Leben der Kinder, insbesondere ihre kreative und charakterliche Entwicklung. Die traditionelle Form des Haiku wird durch die Anzahl von sogenannten Moren, quantisierenden Einheiten, bestimmt (5-7-5). In den westlichen Kontext werden diese Moren meist als Silben übertragen. Beim europäischen Primarschulhaiku steht also in erster Linie das Silbenzählen im Vordergrund. Das ungeheure schöpferische Potential, dass sich hinter der Silbenzählerei verbirgt, kann sich jedoch durch die grossen kulturellen Unterschiede im Haiku nicht voll entfalten. Die neotraditionellen Gedichtformen Kuhai und Fi Bo Na Chi schaffen dem durch geniale mathematische Raffinesse und gnadenlose westliche Hegemonie Abhilfe. Die Resultate sind schillernde Blütenfelder japanoeuropäischer Literatur.

Das Kuhai

Das Kuhai stellt eine Permutation des Haikus dar. Die vertauschten Silbenzahlen pro Zeile (7-5-7) substituieren das für WestlerInnen völlig unzugängliche und dickbäuchig zentrierte Konzept von Kiru, Kireji und Kiru durch ein klar strukturiertes Sandwich, wobei die beiden Toastscheiben (7) eine kleinere aber unverzichtbare Bullette (5) umschliessen. Die bekannteste neotraditionelle Form ist das Kuhai juridique:


Den Tatbestand aufzeigen
Unfair urteilen
Selbstvergessen abschweifen

 

Die kulturelle Basis von Kuhai und Fi Bo Na Chi wird im folgenden englischsprachigen Kuhai juridique mit dem Titel Why Kuhai angedeutet:

Tom Cruise: The Last Samurai
Wonderful story!
A great reason for sushi

Kuhai-Herden

Die grundlegende ästhetische Qualität des Haiku ist es, unabhängig vom Kontext selbstgenügsam zu sein. So wird ein gutes Haiku als eigenständiges, komplettes Werk wahrgenommen. Das Herdengedicht Kuhai hingegen zeichnet sich durch vollständige Kontextabhängigkeit aus. Ein Beispiel ist die »Why-Herde«, eine Reihung von Kuhai juridique, bei denen das Abschweifen (letzte Zeile) als Ausgangspunkt für den Tatbestand (erste Zeile) des vorherigen Kuhai dient:

Tom Cruise: The Last Samurai
Wonderful story!
A great reason for sushi

Fischsterben im Ozean
Aber mein Sushi?
Heute ist mein freier Tag

Wirtschaft wächst nich mehr wie früh’r
Faules, faules Pack!
Marathon am See entlang

Kaffee am See zu teuer
Dabei gibt’s so viel!
Vielleicht wär’s Zeit für Hammam

Im Hammam liegt so viel Haut
Schrubbsüchtiges Pack!
Ich möchte mich gern prügeln

 

Das Fi Bo Na Chi

Im Fi Bo Na Chi folgt die Silbenzahl pro Zeile der Fibonacci-Folge. Dies ist eine unendliche Folge von natürlichen Zahlen, die mit 0, 1 und 2 beginnt. Im Anschluss ergibt jeweils die Summe zweier aufeinanderfolgender Zahlen die unmittelbar danach folgende Zahl: 0-1-2-3-5-8-13-21-34-55-89-144… Die Fibonacci-Folge ist mit vielen ästhetischen Habitatansprüchen überfrachtet, beim Fi Bo Na Chi geht es vor allem um die Suche nach dem Nirvana (ein goldener Schnitt irgendwo zwischen Japan und Pisa), den schleichenden Übergang einsilbiger Poesie zu überbordender Prosa und somit letztlich die Suche nach der letztgültigen Erzählung. Unter den MeisterInnen des Fi Bo Na Chi herrscht ein immerwährender Wettstreit, wer das längste Fi Bo Na Chi verfassen kann, ohne sich einmal zu verzählen. Der derzeitige Rekord liegt bei der maximalen Zahl von 144 Silben pro Zeile. Das sollte doch zu schlagen sein!

 

Einsendungen von Kuhais und Fi Bo Na Chi sind immer willkommen. Für den ersten historischen Sammelband! Einfach per Mail an welcome [ät] litup [punkt] ch

Relation: Turning a Kuhai into a Fi Bo Na Chi

Kuhai:

Im Hammam liegt so viel Haut
Schrubbsüchtiges Pack!
Ich möchte mich gern prügeln

Fi Bo Na Chi:

Im
Hammam
liegt so viel
Haut schrubbsüchtiges
Pack! Ich möchte mich gern prügeln

 

Mehr Fi Bo Na Chi und eine Druckvorlage für Faule zum selberschreiben ohne Silbenzählen gibt es hier:

http://litup.ch/site/?p=977

 

 

Ei
an
Erde
Sprich mein Ei!
Wo ist der Anfang?
Wo ist das Ende der Welt im
Untergrund am Hadesstrand im Sibylle Dunst der Aether floss
Auf hohem Floß die Spiegelpfannen, drauf Protein und achterdecks die Abfälle raus
Der Anfang ist mir verloren gegangen! Sprach das Ei, und sprach damit allen aus dem Herzen, die
schon immer wussten, was Sache sein soll.
Sprich mein Ei! Wiederholte die Erde. Das Ei holte aus: Völlig losgelöst von der Erde begann ich
meine Reise. Jetzt komme ich wieder in den Bann ihrer Materie. Es droht mein Absturz und
Zerfallen.
Verstehst du meine Pein nicht? Wie sollen die Rothenfelser je wieder Abendbrot essen ohne mich?
Ohne weissglitschigem Ball mit saftig gelbem Kern? Hallo? Erde? Ei an E! Ei an R! Ei an D! Ei an
E! Ich glabue ich habe die Verbindung verloren jetzt! Es gibt nichts Einsameres als die gekappte
Verbindung mit Mutter Erde.
Dann ging es schnell, das letzte Ei ward zerschlagen. Das Eigelb quilte an ihm heraus bis die letzten
Eistücke zerfielen und sich in Stab auflösten der nicht in Mutter Erde aufgenommen wurde sondern
im Magen seines Verspeisers. Erst wenn der Verspeiser stirbt wird der Staub die Reste des einst
sprechenden Eies mit seinem Verspeiser unter der Erde liegen und auf ewig Schweigen und die
Fresse halten. Dann ist Schluss mit Sprache und Diskurs zwischen Verbundenen dann kehrt Ruhe
ein und EiEsser und Erde sind endlich vereint und schweigen auf ewig

puttygen download

18 Mrz

Minimal Course Poetry I

Pineapple is my favourite tropical fruit

producer
promise
promotion
reputation
rectangular
seldom
simple
skyscraper
slice (of bread, meat)
to starve (to death)
tasteless

14 Mrz

Poetische Stadterkundungen II

Vom HB übers Central ins Niederdorf zum Kunsthaus

 

Montag ist ein schläfriger Tag
draußen empfängt mich ein Regenschleier
vagabundieren im Abendverkehr auf eigene Gefahr
wir könnten hoch hinauf bis
au premier
ich spiele dir ein kleines Nachtstück
irgendetwas mit Moll
Melancholie ist meine Art von Folie

Liegt die beste Zeit deines Lebens
in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft?
Gesprächsstoff zum Verweben einsamer ausgefranster Single-Leben
lebe jetzt!
das ist ein Befehl!
perfect job Agentur
steht auf einem unscheinbaren kleinen Schild
wir versprechen dir ein makelloses Leben
erlebnisfrei und erfahrungsarm

I always want more
nicht dem Stillstand anheim fallen
flüstert mir die Stadt ins Ohr
ich blicke hoch zum imposanten Central Plaza
ein Mann hoch oben rechts unter dem Dach
zieht einen Vorhang schüchtern auf
ich fixiere ihn mit meinem Blick
folge seinen bedächtigen Gesten
er sieht seine Beobachterin nicht
der Vorhang fällt

Trockenes Auge – was ist zu tun?
Tränen nähren Traumsphären
der Traumatologe: männlich, Singular; der Traumatologe befasst sich mit dem Aufspüren verdrängter, in den wellenförmigen Faltungen des Unbewussten sedimentierter Wünsche die mittels modernster Technologie materialisiert werden

Let the sun shine
ich bin ein Einzelstück
und lass mich nicht reduzieren
warum Frauen anders sind
und Männer anderer
suche. spüre. finde.

Noch 10 Schritte bis …
zur Creperie am Hirschenplatz
Nachtzuschlag inklusive
wir sehen uns tribal art bei Herrn Fröhlich an
und trinken Kaffee mit zart geschlagenem Milchschaum bei Frau Schlauch
auf dem Weg zum Mutterschiff
streife ich das Kunsthaus

Von eleganten spitzen Kerzenleuchtern umschlungen
unterhalten sich zwei mondäne Damen
prachtvolle Haargeweide stoßen aneinander
ihre Krägen plustern sich auf
im Gebäude nebenan
treffen frivole Lichter aufeinander
lassen ihrem Spieltrieb freien Lauf

ich husche ins Tram
der Vorhang fällt.

 

14 Mrz

Poetische Stadterkundungen I

Vom Frisör zur Bank
oder: Hohlstrasse 48 – Rennweg 35

Bye bye Nora
schon wird’s gefährlich
lass dich von meinen red lips verführen
Krokodil verschlingt mich
und spuckt mich nach einer klebrig-feuchten Nacht
in Casablanca wieder aus
romantische Nächte zu zweit
jeden Samstag bei jedem Wetter
bist du high up oder low down?

Wir sorgen für Ihren Durchblick
am Volkshaus vorbei schlendernd
lausche ich einer Gedenktafel, die mir von enttäuschten Hoffnungen erzählt
die verklungenen Träume der spanischen AnarchistInnen
ich gehöre der Zeit
ich bin ihre leichte Beute
mas forte
Zerstreuung ist absurd
ich kann der Zeit nicht entkommen

Im Bemühen die Mauern meines Geistes zum Einsturz zu bringen
fragt mich die Strasse
isch öppis?

Dada Universal – Dada Sprachmahnmal
Daaadaaa – Du kannst mich mal!
das Leben sollte wieder einfacher werden
summen meine Stimmen im Chor

Never stop exploring
chameleon like
have you reached the golden point yet?
say yes
yes
what was the question?
gut ausgerüstet dem Nebel entsteigen
Solidarität schaffen
am Ende der Strecke brüllt mir ein Schaufenster ins Ohr
are you gluten-free?